Schaufenster des Lebens

Schaufenster des Lebens

Nach Aufmerksamkeit heischend, treibend, anderen zum Wohlgefallen, den eigenen Willen dort einordnend, wo er für jedermann sichtbar, bewunderbar und greifbar ist, stellen wir Taten und Handlungen ins Schaufenster des Lebens. Manch einer bescheiden, sich dem Belächeltwerden durch Dritte aussetzend, manch anderer aufdringlich und anbiedernd, wie grelles Neonlicht in dunkler Nacht – hell leuchtend, schreiend, erdrückend und doch kalt.

 ZUM NACHDENKEN ...

Ob wir damit glücklich sind, ob wir es wollen oder ob wir wirklich so sind, spielt keine Rolle; wir müssen einfach, weil andere es tun, andere es von uns erwarten und wir ansonsten der Norm nicht entsprechen. Jenes Strahlen, jene innere Schönheit – das warme Licht – verkümmert, verliert seine Leuchtkraft, wird erdrückt von den Lasten des Alltags und erschlagen von jenen Sorgen, die uns tief im Innersten quälen, uns Kopfschmerzen und Bauchweh bescheren und die scheinbar, außer uns selbst, niemanden interessieren.

Jene Ängste, die dazu führen, dass wir uns nachts, in Erinnerung an die Sicherheit im Mutterleib, einrollen, dass wir den Schlaf herbeisehnen, weil er uns für wenige Stunden Ruhe und Sorgenfreiheit beschert und wir uns tagsüber in jeder unbeobachteten Sekunde zurückziehen in unser Schneckenhaus in der Hoffnung, nie mehr herauskommen zu müssen. Das Gefühl, gleich einem heraufziehenden Gewitter, welches dazu führt, dass wir erschrecken, wenn das Telefon läutet, denn es könnte ja noch mehr Last auf unsere Schultern kommen, dass wir einen Brief nicht öffnen wollen aus Furcht vor noch mehr Ärger, Arbeit oder Problemen. Der menschlichen Gesellschaft ausweichend, um das alte Bild bestehen zu lassen und es nicht durch ein neues, ein trauriges, ein gesellschaftlich erbärmliches zu ersetzen.

Wie viele Menschen haben Angst, dass sie von einer strahlenden Schaufensterpuppe zu einem Abziehbild auf einer kaputten Scheibe degradiert werden?  Wie falsch ist doch eine Gesellschaft, die uns genau diese Oberflächlichkeit anerzieht, die uns dazu bringt, unsere wahren Gefühle wie Geister im Keller zu begraben, uns aber mit deren Heimsuchungen im Stich lässt. Wie schlimm ist es, wenn Medien, Mode, Trends und deren Macher darüber bestimmen, wer wir sein sollen – letztendlich nicht am Wohle des Einzelnen interessiert – es gibt ja genug von uns – sondern nur daran, Macht zu vermehren, Geld anzuhäufen und Menschen zu kontrollieren.

Wie oft beugen wir das Knie aus Angst, senken das Haupt aus Furcht, ziehen uns zurück, nur um ein wenig Frieden, ein klein wenig Sicherheit und einen Funken Ruhe zu bewahren. Mit Freude anderen sagen, wie sie sein sollen, mit Begeisterung wegen jeder Kleinigkeit einen Streit vom Zaun brechen, nur um zu zeigen, dass man stärker, besser, wichtiger und mächtiger ist. Schon einmal überlegt, dass bei einer Meinungsverschiedenheit mit dem Nachbarn zwei Flaschen Bier billiger wären als es die Rechtsanwaltskosten hinterher sind? Und schon einmal darüber nachgedacht, dass eine offene Hand nicht dazu da ist, um jemandem ins Gesicht zu schlagen, sondern um sie zur Versöhnung zu reichen? Merkwürdige Gedanken zu Selbstverständlichem? Jeder weiß es, jeder sagt es – immer als gut gemeinten Rat für die Probleme anderer, aber wenn es einen selbst betrifft, dann sind Streit und Terror und das Loswüten wie ein wilder Stier auf das rote Tuch doch absolut gerechtfertigt. So bekommen wir es gezeigt, so wird es uns gelehrt, denn andernfalls gerät doch unser wohlverdienter Schaufensterplatz ins Wanken.  Wie gerne beuge ich mein Knie vor jenen, die mir wichtig sind, jenen, denen ich dienen will, nicht weil sie es fordern, sondern weil sie es mir wert sind.

Wie gerne senke ich mein Haupt in Bewunderung vor jenen, die menschlich Großes leisten; nicht um Demut zu heucheln, sondern um ihren Segen zu empfangen.  Nie werde ich die Hoffnung aufgeben, dass wir unserer selbst wieder besser gewahr werden, die Situation betrachten und um kein Geld der Welt mit diesen künstlich manipulativen Puppen in ihrer illusorischen Welt tauschen wollen. Zum Glück gibt es jene, deren Worte heilen und deren Taten zum Vorbild gereichen – die nach innerer Zufriedenheit, geistigem Wohlbefinden und gegenseitigem Respekt streben, ohne manipulieren, klassifizieren oder verändern zu wollen.

Zum Glück gibt es jene, die frei sind, nicht frei von Pflichten – denn die haben wir alle – aber frei von dem Zwang, sich für andere darstellen zu müssen. Freiheit ist jener Moment, dieser Wimpernschlag der Ewigkeit, in dem man, verloren im Augenblick, sich seiner selbst am stärksten gewahr ist. Zum Glück gibt es jene, die vor dem Schaufenster stehen. S. TALER